Pausenzeiten können Arbeitszeiten sein
Gemäß § 2 ArbeitszeitG sind die Pausen keine Arbeitszeit. In Ausnahmefällen können aber Pausenzeiten auch Arbeitszeit sein. Im vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der während seiner gewährten Ruhepausen, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein musste. Der EuGH urteilte, dass hier Arbeitszeit“ vorliegt. Aus einer Gesamtwürdigung der Umstände ergibt sich, dass dem Arbeitnehmer während seiner Ruhepausen solch erhebliche Einschränkungen auferlegt sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen. EuGH 09.09.2021 Rs. C-107/19
Urteile im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention
Fettleibigkeit kann in der EU Behinderung im Beruf sein
Wer sehr viel wiegt, kann im Job eingeschränkt sein. Ein Urteil spricht Betroffenen nun besonderen Schutz zu.
Luxemburg (dpa) - Starkes Übergewicht kann nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als Behinderung im Beruf gelten. Dies wäre der Fall, wenn
jemand durch sein Gewicht auf die körperlich, geistig oder psychisch so stark beeinträchtigt ist, dass er nicht gleichberechtigt mit anderen seinen Beruf ausüben kann. Dann greife auch der im
EU-Recht verankerte Schutz vor Diskriminierung, entschieden die Richter am Donnerstag in Luxemburg
(Rechtssache C-354/13). Dies gilt unabhängig davon, ob der Betreffende möglicherweise selbst zu der Behinderung beigetragen hat. In Deutschland gilt bereits eine ähnliche Regelung.
Im konkreten Fall geht es um einen stark übergewichtigen Tagesvater aus Dänemark, dem nach 15 Jahren von der Gemeinde gekündigt worden war. Während dieser Zeit wog er
nie weniger als 160 Kilogramm. Er beteiligte sich an Abnehm- und Fitnessprogrammen der Gemeinde
Billund, nahm aber dennoch immer wieder zu. Die Leitung des Betreuungsdienstes besuchte ihn mehrmals und erkundigte sich nach seinen Abnehm-Versuchen.
Als die Gemeinde dem Mann 2010 kündigte, hieß es zur Begründung, der Bedarf an Kinderbetreuung gehe zurück. Bei einem anschließenden Gespräch kam sein Übergewicht
zwar zur Sprache. Die Gemeinde erklärte aber, dies sei nicht der Grund für die Kündigung gewesen. Der
Tagesvater sah sich aber diskriminiert und zog vor Gericht.Über diesen Fall muss ein dänisches Gericht endgültig entscheiden.Die Richter dort baten allerdings den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von
EU-Recht.
Die europäischen Richter stellten klar, dass Fettleibigkeit zwar laut EU-Recht kein
Diskriminierungsgrund ist. Allerdings kann Übergewicht unter bestimmten Umständen eine Behinderung sein - und behinderte Menschen haben in Europa ein Recht darauf,
vor Diskriminierung geschützt zu werden. Arbeitgeber müssen Vorkehrungen treffen, um
Behinderten die Teilnahme am Berufsleben zu ermöglichen - es sei denn, dies würde zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Arbeitgebers führen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin erklärte auf Anfrage, der Grad der Behinderung werde «durch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe in
allen Lebensbereichen bestimmt». Wodurch eine Gesundheitsstörung oder Behinderung verursacht werde, sei unwichtig. «Führt zum Beispiel eine ausgeprägte Fettleibigkeit bei einem Betroffenen zu
Funktionseinschränkungen mitBeeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, so kann
in Deutschland eine Behinderung anerkannt werden», hieß es.
Quelle: EU-Info.Deutschland 18.12.2014
Anmerkung
Das Urteil zeigt erneut, dass der EuGH einen weiter gefassten Begriff von "Behinderung" hat als das im deutschen Sozialgesetzbuch der Fall ist (siehe auch EuGH, 11.04.2013 - Rechtssachen C-335/11 und C-337/11). So kann laut EuGH eine Krankheit u.U. auch eine Behinderung sein. Insbesondere in arbeitsrechtlicher Hinsicht könnte das Auswirkungen für Betroffene haben, etwa in punkto Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, Unterstützung am Arbeitsplatz, Kündigungsschutz
Grundlage: Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Der EuGH zum Verhältnis von Krankheit und Behinderung Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 11. April 2013, C- 335/11 und C- 337/11 (Rs. Ring und Skouboe Werge)
Dies ist ein sehr interessanter Diskussionsbeitrag zu dem bereits im Vorfeld veröffentlichten Urteil des EuGH - hier hatten wir ja bereits eine bahnbrechende Entwicklung formuliert.
aus dem Beitrag ..... Die Langzeiterkrankung als möglicher Kündigungsgrund im deutschen Arbeitsrecht ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung neu zu bewerten. Neben der Frage, ob ein entsprechendes Betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde, wird auch bei nicht – im Sinne des § 2 Abs.2 SGB IX – schwerbehinderten Menschen umfassend zu prüfen sein, ob wirklich alle Maßnahmen als angemessene Vorkehrungen berücksichtigt wurden, um das Beschäftigungsverhältnis zu erhalten.
aus dem Beitrag .......Auf das deutsche Sozialrecht bezogen bekräftigt die EuGH- Entscheidung, dass Leistungen zur Teilhabe unabhängig vom Vorliegen einer anerkannten Behinderung nach Teil 2 des SGB IX zu leisten sind und der Behinderungsbegriff nach § 2 Abs. 1 SGB IX im Lichte der UN-BRK und der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) auszulegen ist.
Diskussionsbeitrag Nr. 8/2013 von Henning Groskreutz und Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel Quelle: www.reha-recht.de - Dezember 2013
Eine heilbare oder unheilbare Krankheit, die eine physische, geistige oder psychische Einschränkung mit sich bringt, kann einer Behinderung gleichzustellen sein
Die Verkürzung der Arbeitszeit kann als eine Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden, die ein Arbeitgeber ergreifen muss, damit Menschen mit Behinderung arbeiten können.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Rechte lang kranker Arbeitnehmer gestärkt. Nach einem am Donnerstag, 11. April 2013, verkündeten Grundsatzurteil können sie wie behinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz genießen oder entsprechende Hilfen beanspruchen (C-335/11 und C-337/11).
Zur Presseerklärung des EuGH vom 11.04.2013 Zum Urteil des EuGH vom 11.04.2013
Zu den Schlussanträgen der Anwälte - sehr interessant
Anmerkung der Redaktion: Dieses Urteil könnte bahnbrechend sein - es macht zum ersten Mal deutlich, wann eine Behinderung vorliegt und wann geholfen werden muss - der erste Schritt weg von der Unterscheidung behinderter und schwerbehinderter Mensch, sondern hin zu Menschen mit Behinderung - der Weg zur Gleichheit - Menschen mit Behinderung - egal wie hoch ein Grad der Behinderung oder wie schwer eine Behinderung ist.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte betont Anspruch auf rollstuhlgerechte Zelle
Körperbehinderte Strafgegangene haben Anspruch auf eine behindertengerechte Zelle und bei Bedarf auf ausreichend medizinische Hilfsmittel. Das hat am Dienstag, 12. Februar 2013, der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg bekräftigt (Aktenzeichen: 45705/07). Eine ständige Abhängigkeit von Mithäftlingen verletze ihr Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen. Quelle: VDK Deutschland weiteres hier weitere Quelle Bista.de hier geht es zum Artikel
Seit Jahren diskussieren wir, dass Polizeigebäude barrierefrei sein müssen - jetzt steht zumindest fest, dass Gefängniszellen es sein müssen, incl. behindertengerechter Toilette - Anmerkung der Redaktion: scheinbar haben behinderte Straftäter in unserem Lande mehr Rechte als behinderte Beschäftigte und Bürgerinnen und Bürger des Landes NRW - denn nach Aussage des Finanzministeriums in der letzten Woche, müssen Polizeidienststellen lediglich im Erdgeschoss barrierefrei sein. Vielleicht sollten wir als behinderte Beschäftigte und Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch einmal ein Gerichtsverfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anstreben, um die uns zustehende Barrierefreiheit zu erhalten. Das auch behinderte Straftäter ihr Recht auf Barrierefreiheit erhalten müssen, ist klar - aber dass Beschäftigte und Bürgerinnen und Bürger immer wieder gegen Barrieren in den Köpfen kämpfen müssen, macht mich sehr nachdenklich.
AGG
- Die Ablehnung eines Bewerbers mit Sprechstörung wegen fehlender Kommunikations-stärke und großer Kommunikationsprobleme ist ein berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen § 1 AGG. Der einstellende Arbeitgeber hat diesen Vermutungstatbestand nach § 22 AGG zu entkräften.Quelle: Justiz NRW Landesarbeitsgericht Köln vom 26.01.2012 AZ: 9 Ta 272/11
- 2700 € Entschädigung wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. BAG, Urteil vom 16.02.2012, Az 8 AZR 697/10
- Altersabhängige Staffelung der Urlaubsordnung: Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD benachteiligt Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmittelbar und verstößt gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - Presseerklärung des BAG