Einsicht in alle relevanten Unterlagen bei Stellenbesetzungsverfahren auch der nichtbehinderten Bewerber*innen

Die SBV hat bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen.
Das Einsichtsrecht erstreckt sich auch auf die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen der nicht behinderten Bewerber.
Dieses Recht steht der SBV auch dann zu, wenn der Arbeitgeber bei einer internen Stellenbesetzung auf eine Ausschreibung der Stelle verzichtet hat und von sich aus schwerbehinderte Menschen in seine Auswahlentscheidung mit einbezogen hat (siehe Rn. 34/36).

Die bei dem Träger eines Jobcenters bestehende SBV hat jedenfalls dann nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX keinen Anspruch auf Vorlage der vollständigen dienstlichen Beurteilungen der einzustellenden Arbeitnehmer sowie der im Auswahlverfahren nicht berücksichtigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung nur auf Auszüge aus dienstlichen Beurteilungen stützt (Rn. 38).

ArbG Berlin – 09.05.2018 – 56 BV 1026/18
LAG Berlin-Brandenburg, 3 TaBV 724/18 vom 12.04.2019
BAG, Beschluss vom 16.09.2020, 7 ABR 2/20

Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

  1. Die Verletzung der in § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung.
  2. „Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können. Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 165 Satz 3 SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen.
  3. Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt.

    LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, 5 Sa 128/19

Benachteiligung wegen Schwerbehinderung

Wird ein schwerbehinderter Stellenbewerber bei einem mehrstufigen Auswahlverfahren nach dem Vorstellungsgespräch nicht mehr zu den weiteren Stufen des Auswahlverfahrens eingeladen, weil der Arbeitgeber sich nach dem Vorstellungsgespräch gegen den schwerbehinderten Stellenbewerber entschieden hat, lässt sich daraus nicht die Vermutung herleiten, der Stellenbewerber habe aufgrund seiner Schwerbehinderung keine weitere Berücksichtigung gefunden.


Urteil des BAG vom 27.08.2020, Az.: 8 AZR 45/19

Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

Die Verletzung der in § 165 Satz 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung.

 

„Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können. Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 165 Satz 3 SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen.

 

Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.01.2020, 5 Sa 128/19

Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber bei der Einstellung         (7434 €)

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF* zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem/der erfolglosen Bewerber/in allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist lediglich ein Indiz iSv. § 22 AGG**, das die Vermutung begründet, dass der/die Bewerber/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen.

Der Kläger bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Die Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen. Der Kläger wurde, obwohl er fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Der Kläger hat mit seiner Klage vom beklagten Land eine Entschädigung iHv. 7.434,39 Euro verlangt. Das beklagte Land hat demgegenüber geltend gemacht, die Bewerbung des Klägers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Schon aus diesem Grund sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Entschädigung iHv. 3.717,30 Euro zugesprochen.

Die Revision des beklagten Landes blieb im Ergebnis erfolglos. Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 23. August 2018 - 6 Sa 147/18 -

Pressemitteilung 5/20

Entschädigung wegen Nichteinladung 2000 €

Verletzung mehrer Verpflichtungen - durch einfache Lektüre des SGB IX hätte der Arbeitgeber die Pflichtverstöße vermeiden können:  § 164 Abs. 1 SGB IX legt dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Einstellung von Arbeitnehmern zur Förderung der Beschäftigung von Schwerbehinderten verschiedene Prüfungspflichten. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschenbesetzt werden können, wobei zwingend die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat anzuhören sind.  Kann die Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem schwerbehinderten Menschen erfolgen, ist der Arbeitgeber zur Prüfung verpflichtet, ob der Arbeitsplatz mit bei der Arbeitsagentur arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten Schwerbehinderten besetzt werden kann. Das setzt denklogisch voraus, dass der Arbeitgeber den freien Arbeitsplatz der Arbeitsagentur überhaupt erst einmal meldet.   Eine Verletzung dieser Obliegenheiten – oder auch nur einzelner von ihnen – begründen bei Schwerbehinderten ein ausreichendes Indiz für die Benachteiligung wegen der Behinderung im Sinne von § 22 AGG. Arbeitsgericht München, Az: 12 Ca 6331/19 vom 23.01.2020 noch nicht rechtskräftig

Diskriminierung - Schwerbehinderung - Vorstellungsgespräch - Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Leitsatz

 

1. Für eine Unterrichtung nach § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber alle Bewerbungsunterlagen auch der Schwerbehindertenvertretung elektronisch zugänglich macht. Es muss vielmehr unverzüglich ein Hinweis ergehen, ob und welcher der – hier 50 – Bewerber schwerbehindert ist.

2. Die Klägerin ist als schwerbehinderte Bewerberin nicht automatisch deswegen offensichtlich ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle nach der Vergütungsgruppe E 10 TV-L im Sinne von § 165 S. 4 SGB IX, weil sie über den im Anforderungsprofil verlangten Hochschulabschluss nicht verfügt, zumal sich diese Voraussetzung weder aus den Eingruppierungsmerkmalen noch aus dem Anforderungsprofil selbst ergibt.

LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer 15 Sa 949/19 27.11.201

Vorstellungsgespräch: Interne bzw. externe Bewerber

Bei Einstellungen im öffentlichen Dienst stellt sich häufig die Frage, ob auch schwerbehinderte interne Bewerber zwingend nach § 165 Satz 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, da diese dem Arbeitgeber ja schon bekannt sind.

Das VG Schleswig hat nun geklärt, dass auch interne schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn die Stelle auch extern ausgeschrieben wurde.

Abzustellen ist damit einzig darauf, dass die Stelle externen Bewerbern offen steht, nicht darauf, ob es sich bei dem konkreten Schwerbehinderten um einen internen oder externen Bewerber handelt.

VG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2018 – 12 B 49/17

BAG-Urteil: Unmittelbare Benachteiligung wegen Behinderung – Kenntnis des Arbeitgebers – Nichteinladung – öffentlicher Dienst vom 22.10.2015 8 AZR 384/14 - Vorinstanz LAG Düsseldorf

Nach Urteilen des BAG aus 2013 und 2014 musste eine Schwerbehinderung mit dem Grad der Behinderung in der Bewerbung deutlich erkennbar sein - entweder im Lebenslauf oder im Anschreiben. Eine Kopie des Ausweises so das Gericht damals genügt nicht. Nunmehr verwirft das BAG in einem Urteil aus Oktober 2015 eine grundlegende Aussage der vorangegangenen Urteilen.

 

Es reicht aus, wenn im Anschreiben oder im Lebenslauf auf die Schwerbehinderung deutlich erkennbar hingewiesen wird. Der Grad der Behinderung braucht nicht angegeben zu werden. Auch  bedarf es dann nicht einer Kopie des Ausweises. Heißt, wer im Anschreiben oder im Lebenslauf beispielsweise schreibt - ich bin schwerbehindert - ist seiner Hinweispflicht ausreichend nachgekommen. Ein öffentlicher Arbeitgeber muss dann erkennen, dass er seiner Pflicht gem. § 82 SGB IX nachkommen muss.

Die bislang in vielen Verfahren gängige Praxis, wenn keine Kopie des Ausweises oder der Gleichstellung den Bewerbungsunterlagen beigefügt wurde, sind die Bewerbungen in vielen Bereichen als unvollständig nicht berücksichtigt worden, dürfte somit nicht weiter als rechtmäßig angesehen werden.

Dies gilt natürlich für den öffentlichen Arbeitgeber auch bei internen Stellenbesetzungsverfahren - wie dieses Urteil deutlich zeigt. Auch dürfte diese Aussage bei vorliegender Gleichstellung zutreffen.

 

.... ein paar Aussagen aus dem Urteil

Ein hinreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen

 

Eine Information im Bewerbungsanschreiben (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 35; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 4 iVm. Rn. 35 ff.; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28 ff., 39, BAGE 127, 367) oder an gut erkennbarer Stelle im Lebenslauf (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 36; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) ist regelmäßig ausreichend

 

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es im Zusammenhang mit der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers aus § 82 SGB IX ausreicht, über das Vorliegen einer „Schwerbehinderung“ zu informieren und dass es nicht zusätzlich erforderlich ist, den GdB mitzuteilen. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (insbesondere BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 33, 35; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

 

Der Begriff der „Schwerbehinderung“ ist ein Rechtsbegriff, dem im Rechtsverkehr, vor allem im Arbeits- und Sozialrecht eine feste Bedeutung zukommt. Der Begriff der Schwerbehinderung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich definiert. Nach dieser Bestimmung sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Weist ein/e Bewerber/in im Zusammenhang mit einer Bewerbung darauf hin, „schwerbehindert“ zu sein, ist deshalb - sofern nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gegeben sind - für den Arbeitgeber ohne Weiteres erkennbar, dass der Begriff iSd. in § 2 Abs. 2 SGB IX gegebenen Definition gemeint ist und damit beim Bewerber mindestens ein GdB von 50 vorliegt. Eine andere Funktion liegt im Zusammenhang mit einem Bewerbungsschreiben regelmäßig nicht nahe.

 

Dass die Beklagte nach eigenen Angaben „nicht erkannt hat“, dass sie aufgrund der Mitteilung des Klägers nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet war, diesen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, führt zu keiner anderen Bewertung. Von Bedeutung ist nicht, was sie tatsächlich erkannt hat, sondern was sie erkennen musste.

Anspruch auf Vorstellungsgespräch bei Schwerbehinderung

Schwerbehinderung durch Gespräch ausgleichen

 

Erfüllt ein schwerbehinderter Bewerber das Anforderungsprofil, so entbindet ein verbindlicher Eignungstest den öffentlichen Arbeitgeber nicht von der Pflicht, ihn zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 165  Satz 2 SGB IX muss ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, soweit dieser nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Findet kein persönliches Gespräch statt, kann daraus ein Entschädigungsanspruch folgen, entschied das LAG Schleswig-Holstein am 09.09.2015 – Az. 3 Sa 36/15.
Eine öffentliche Arbeitgeberin schrieb Ausbildungsplätze im dualen Studium zur Verwaltungsinformatikerin/zum Verwaltungsinformatiker Diplom (FH) aus. Voraussetzung war ausdrücklich eine „mindestens vollwertige Fachhochschulreife“. Der schwerbehinderte, entsprechend ausgebildete Kläger bewarb sich um den Studienplatz, nahm an dem bereits in der Ausschreibung erwähnten schriftlichen Eignungstest teil und fiel durch. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte eine Absage. Eine solche Handlung stelle ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung dar – so die Richter beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein.

Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass das Bestehen eines Eingangstests ausweislich der Ausschreibung keine Stellenanforderung war, sondern bereits Teil des Auswahlverfahrens. In diesem Verfahren müsse der öffentliche Arbeitgeber jedoch § 165  Satz 2 SGB IX beachten: Danach sei ein fachlich geeigneter schwerbehinderter Bewerber immer zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Er soll etwaige Defizite in einem persönlichen Gespräch ausgleichen können. Werde er nicht zu einem solchen Gespräch eingeladen, werde nach dem Gesetz eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung vermutet.

Abschreckende Einladung - Benachteiligung wegen Behinderung

"Abschreckende" Einladung eines Schwerbehinderten zu Vorstellungsgespräch begründet Vermutung der Benachteiligung wegen Behinderung.

Das LArbG Stuttgart hat entschieden, dass ein schwerbehinderter Bewerber, der zwar einerseits zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, in der Einladung aber bereits auf die geringen Erfolgsaussichten seiner Bewerbung hingewiesen wird, einen Anspruch nach dem AGG hat.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 03.11.2014 Aktenzeichen: 1 Sa 13/14

hier geht es zur Entscheidung

Nichteinladung nur wenn fachliche Eignung nicht vorliegt

Indiz für Diskriminierung durch Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch kann nur durch Gründe widerlegt werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen

 

Lädt der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 165 S. 2 SGB IX einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, so kann die hierdurch verursachte Vermutung der diskriminierenden Benachteiligung nur durch solche Gründe nach § 22 AGG widerlegt werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen.

Insoweit enthält § 165 S. 3 SGB IX mit dem Erfordernis der „offensichtlichen Nichteignung“ eine abschließende Regelung.

BAG, Urteil vom 24.01.2013 - 8 AZR 188/12 (LAG Köln 23.12.2011 - 4 Sa 1008/11), BeckRS 2013, 69476

Quelle: Hier Praxishinweis von RA Dr. Jan Kern, Gleiss Lutz, Stuttgart

Eine Heilung eines Verstoßes gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX durch nachträgliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wird durch den VGH Baden-Württemberg verneint

VGH  Baden-Württemberg  Beschluss  vom  10.9.2013,  547/12 

 

Leitsätze 

 

1. In  einem  Stellenbesetzungsverfahren  kann  eine  Benachteiligung  im  Sinne  von  § 7 Abs. 1  AGG  bereits  in  der  entgegen  §  81  Abs.  Satz  SGB  IX  unterlassenen  Beteiligung  der  Schwerbehindertenvertretung  und  der  damit  einhergehenden  Vorenthaltung  einer  möglichen  Verfahrensabsicherung  oder  -begleitung  durch  diese  Vertretung  zu  sehen  sein. 

 

2.  Eine  Benachteiligung  im  Sinne  von  § 7 Abs. 1 AGG  setzt  keine  Verletzung  in  subjektiven  Rechten  voraus. 

 

3.  Zur  Heilung  eines  Verstoßes  gegen  §  81  Abs.  Satz  SGB  IX  durch  nachträgliche  Beteiligung  der  Schwerbehindertenvertretung  (hier  verneint). 

 

4.  Die  Höhe  des  Entschädigungsanspruchs  im  Falle  des  § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG  ist  bei Geltendmachung  einer  Benachteiligung  in  einem  Beförderungsverfahren  nicht  auf  die  Differenz  zwischen  der  dreifachen  monatlichen  Grundbesoldung  des  bislang  innegehabten  und  derjenigen  des  angestrebten  Amts  beschränkt. 

 

hier geht es zum Volltext Quelle: VGH Baden-Württemberg

Besetzung neuer Stellen - das sollten Sie beachten!

Schwerbehinderte Bewerber im öffentlichen Dienst - Einladen? Ja, aber mit Ausnahmen. 
Zur Erhöhung seiner Chancen im Auswahlverfahren ist ein schwerbehinderter Bewerber nach § 165 Satz 2 SGB IX von einem öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 165 Satz 3 SGB IX entfällt diese Pflicht ausnahmsweise, wenn dem schwerbehinderten Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt. 
Ob die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, ist an dem vom öffentlichen Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung bekannt gemachten Anforderungsprofil zu messen.
  • Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 21.07.2009 - Aktenzeichen: 9 AZR 431/08
  • Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 15.02.2005 - Aktenzeichen: 9 AZR 635/04
  • Landesarbeitsgericht Frankfurt - Urteil vom 07.11.2005 - Aktenzeichen: 7 Sa 473/05
  • Arbeitsgericht Frankfurt - Urteil vom 19.02.2003  Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Entschädigung wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers

Orientierungssätze zur Anmerkung 

 

1. Ein schwerbehinderter Bewerber ist gemäß § 82 Satz 2 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sofern sich nicht aus dem Anforderungsprofil ergibt, dass er offensichtlich ungeeignet i.S.d. § 82 Satz 3 SGB IX ist.

 

2. Der Arbeitgeber ist an das einmal erstellte Anforderungsprofil gebunden und hat seine Entscheidung ausschließlich auf dessen Grundlage zu treffen, ohne es zu verändern oder zu ergänzen.

 

3. Wird ein schwerbehinderter Bewerber trotz objektiver Eignung nicht zum Vorstellungs-gespräch eingeladen, liegt eine Hilfstatsache i.S.d. § 22 AGG vor, die auf eine Benachteiligung wegen der Behinderung deutet.

 

4. Der Bewerber hat, wenn er ohne sachlichen Grund nicht zum Vorstellungsgespräch geladen wird, einen Anspruch auf Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG.

 

5. Die Pflicht aus § 82 Satz 2 SGB IX, einen schwerbehinderten Bewerber einzuladen, besteht gemäß § 122 SGB IX auch dann, wenn den Arbeitgeber weitere Verpflichtungen in Bezug auf die Auswahl derjenigen Bewerber treffen, die zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind.

 

6. Eine Rahmenintegrationsvereinbarung kann zulässig ein Verfahren regeln, in dessen Rahmen die Entscheidung getroffen wird, ob ein schwerbehinderter Bewerber als offensichtlich ungeeignet gemäß § 82 Satz 3 SGB IX angesehen wird.

 

Quelle:Juris BAG 8. Senat, Urteil vom 16.02.2012 - 8 AZR 697/10

Entschädigungsanspruch auch für bereits beschäftigte Mitarbeiter

Bundesarbeitsgericht stärkt Rechte behinderter Menschen - im Einzelfall kann bei einer Stellenbesetzung die Nichtberücksichtigung von bereits beschäftigten schwerbehinderten Mitarbeitern zu einem Entschädigungsanspruch führen.

 

Vor der Besetzung freier Stellen muss der Arbeitgeber unter Einbeziehung der Agentur für Arbeit gemäß § 81 SGB IX sowie der Schwerbehindertenvertretung prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Der Arbeitgeber hat hier auch zu prüfen, ob bereits beschäftigte Schwerbehinderte dort eingesetzt werden können. 

 

Eine Nichtbeachtung dieser Verpflichtung begründet die Vermutung, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung im Einstellungsverfahren vorliegt. 

Die Entschädigungshöhe kann auch hier 3 Monatsgehälter betragen. 

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 17.8.2010, 9 AZR 839/08

Bewerbungsgespräche - Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

 

Im Wolters-Kluwer Seminar „Schwerbehindertenvertretung aktuell" am 3. Dezember 2009 in München stellte eine Teilnehmerin folgende Frage. 


Nach § 95 (1) SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. 

Nach § 81 Abs. 1 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt. 

Dazu hätte ich gerne Folgendes gewusst: Ist zu Beginn einer Bewerbung eine Frage wie: „Wollen Sie, dass die Schwerbehindertenvertretung bei Ihrer Bewerbung beteiligt wird?" oder „Wollen Sie, dass die Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch teilnimmt?" zulässig oder nicht? 
Wenn nicht, sollte der schwerbehinderte Bewerber überhaupt auf die Möglichkeit der Ablehnung der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung aufmerksam gemacht werden und gegebenenfalls wie? 

Kommentar vom 10.12.2009 - 12:50 Uhr - Antwort von Prof. Dr. Bernhard Knittel 

Die Ablehnung muss auf Initiative des schwerbehinderten Bewerbers zurückgehen. Der Arbeitgeber kann ihn zwar anlässlich der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch in allgemeiner Form auf dieses Ablehnungsrecht hinweisen. Unzulässig wäre aber die ausdrückliche Nachfrage, ob der Bewerber die Beteiligung der SBV wünsche. Dies könnte nämlich dem Betroffenen möglicherweise den Eindruck vermitteln, die als gesetzlicher Regelfall vorgesehene Einschaltung der SBV sei dem Arbeitgeber nicht willkommen und daher eine Ablehnung ihrer Beteiligung durch den Bewerber erwünscht. 

Es liegt auf der Hand, dass der auf den Erfolg seiner Bewerbung hoffende schwerbehinderte Mensch dann vielleicht aus sachfremden Gründen auf die zur Wahrung seiner Interessen vorgesehene Mitwirkung der SBV verzichten könnte. Damit liefe aber ein Verlangen des Arbeitgebers nach einer ausdrücklichen Entscheidung des Stellenbewerbers dem Sinn der gesetzlichen Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 6 und 10 SGB IX zuwider, nämlich grundsätzlich durch die Beteiligung der SBV bereits dem Anschein einer Benachteiligung der schwerbehinderten Bewerber entgegenzuwirken und hiervon nur dann abzusehen, wenn dies der Bewerber selbst - aus von ihm subjektiv wohl erwogenen Gründen - bewusst ablehnt.

(SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Kommentierung zu § 81 Rdnr. 36). 
Quelle: http://www.behinderungundarbeit.de

Fehlende Unterrichtung bei einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen kann teuer werden (hier: 1000 Euro)! Beteiligungspflicht der Schwerbehindertenvertretung

Hessisches Landesarbeitsgericht - Urteil vom 22.03.2006 - Aktenzeichen: 2 Sa 1686/05

 

Ein schwerbehinderter Stellenbewerber hat Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, wenn aufgrund der fehlenden Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung von seiner eingegangenen Bewerbung eine Benachteiligung vermutet wird und der Arbeitgeber die Vermutung nicht widerlegen kann. 

Gemäß § 81 Abs.2 Nr. 2 SGB IX steht Schwerbehinderten bei Benachteiligungen im Rahmen der Begründung eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses ein Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu. 
Eine solche Benachteiligung liegt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber gegen die Pflichten aus § 81 Abs.1 SGB IX verstößt, indem er die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich von der Bewerbung des Schwerbehinderten informiert (LAG Hamm Urteil vom 16.12.2005 Az: 15 Sa 1698/05; LAG Hessen Urteil vom 22.03.2006 Az: 2 Sa 1686/05). 

Die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung führt auch dann zur Vermutung einer Benachteiligung, wenn das Bewerbungsverfahren letztlich ohnehin abgebrochen wird. Entscheidend ist, dass die Vertretung keine unverzügliche Kenntnis vom Eingang der Bewerbung erhalten hat und damit nicht für die Rechte des Schwerbehinderten eintreten konnte, was möglicherweise auch den Fortgang des Bewerbungsverfahrens beeinflusst hätte.

Urteil stärkt Rechte behinderter Menschen

Ein Arbeitgeber muss der Arbeitsagentur eine genaue Stellenbeschreibung vorlegen...

...um abzuklären, ob für eine freie Stelle auch schwerbehinderte Menschen zur Verfügung stehen. Das geht aus einem Beschluss des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Rheinland-Pfalz hervor. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensweise führt demnach zu einer rechtswidrigen Stellenbesetzung.

Mit diesem grundlegenden Urteil gab das Landesarbeitsgericht der Beschwerde eines Betriebsrates gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes Mainz statt. Im konkreten Fall hatte der Betriebsrat einer Einstellung einer neuen Mitarbeiterin nicht zugestimmt, weil sich der Arbeitgeber nicht hinreichend um die Einstellung eines schwerbehinderten Menschen bemüht hat. 

Aktenzeichen: 6 TaBV10/10 LAG Rheinland-Pfalz
Quelle: Kölner Stadtanzeiger 18.12.2010

Anmerkung der Redaktion: Hier wurde nun endgültig klargestellt, dass freie Stellen der Agentur für Arbeit gemeldet werden müssen, und der Arbeitgeber sich auch ernsthaft um die Einstellung schwerbehinderter Bewerber bemühen muss. Dies gilt gerade auch für öffentliche Arbeitgeber, die nach § 82 SGB IX eine besondere Verpflichtung haben.