BEM-Gespräch ohne Rechtsbeistand
Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch, bei einem Gespräch im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) seinen Rechtsanwalt mitzubringen.
Wer an einem solchen Gespräch zwingend und potenziell zu beteiligen ist, sei in § 84 Abs. 2 SGB IX abschließend geregelt. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands des Arbeitnehmers sei nicht vom Gesetz vorgesehen und damit keine Pflicht des Arbeitgebers. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.12.2014 - 5 Sa 518/14
Hamburger Modell muss immer durchgeführt werden
Arbeitgeber die die Durchführung einer ärztlich empfohlener stufenweisen Wiedereingliederung ablehnen, müssen mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Quelle: Justiz NRW LAG Hamm Urteil vom 04.07.2011 AZ: 8 SA 726/11
1. Bietet der Arbeitnehmer nach längerer psychischer Erkrankung unter Vorlage einer vom behandelnden Facharzt ausgestellten "Arbeitsfähigkeitsbescheinigung" erfolglos seine Arbeitskraft an und verlangt er aus diesem Grunde Vergütungszahlung wegen Annahmeverzuges, so hat der Arbeitgeber die fehlende Arbeitsfähigkeit zu beweisen.
2. Verneint der gerichtlich bestellte Sachverständige aufgrund eigener Untersuchung und Beurteilung, jedoch ohne Beiziehung der fachärztlichen Behandlungsunterlagen die vom Arbeitgeber behauptete Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit zu dem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, so ist der auf Ergänzung des Gutachtens gerichtete Beweisantrag des Arbeitgebers, der Gutachter möge die fachärztlichen Behandlungsunterlagen beiziehen, zum Nachweis der fehlenden Arbeitsfähigkeit nur geeignet, wenn zugleich die Möglichkeit dargelegt wird, dass deren Auswertung einen solchen Widerspruch zwischen ärztlicher Dokumentation einerseits und diagnostizierter Besserung der Symptomatik nebst Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit andererseits aufzeigt, dass hieraus überzeugungskräftig das Gegenteil - die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit - herzuleiten sei.
3. Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs.´2 SGB IX gehört auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Die frühere Auffassung, dem Arbeitgeber stehe die Entscheidung hierüber frei, ist nach Einführung des § 84 SGB IX überholt. Im Weigerungsfall kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 280 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB IX in Betracht.
Beteiligung im BEM der Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen
Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Arbeitnehmer benennt, welche nach § 84 Abs. 2 SGB IX (juris SGB 9) die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen
Eingliederungsmanagements erfüllen.
BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 7.2.2012, 1 ABR 46/10
Dieser Auffassung war auch bereits das Bundesverwaltungsgericht BVerWG 6 P 8.09 von 24.06.2012:
hier geht es zur Presseerklärung
Da nun die beiden höchsten Gerichte in unserer Republik die Beteiligung der Interessenvertretungen bestätigt haben, dürften selbst die letzten Zweifel der Arbeitgeber und Datenschützer ausgeräumt sein.
Mitteilungsanspruch steht dem gesamten Personalrat zu
Beteiligung des Personalrats beim Betrieblichen Eingliederungs-management
...weitere Stärkung der Interessenvertretung 8 A 2967/10 VG Oldenburg Beschluss vom 03.05.2011
Leitsatz/Leitsätze
Der Personalrat hat gemäß Paragraphen 84 Absatz 2 Satz 7 SGB IX, 68 Absatz 2 BPersVG Anspruch auf Mitteilung der Namen der länger erkrankten Beschäftigten, die auf die Möglichkeit des
Betrieblichen Eingliederungsmanagements hingewiesen werden.
Der Informationsanspruch steht dem Personalrat in seiner Gesamtheit zu. Die Mitteilungspflicht kann nicht auf den Vorsitzenden beschränkt werden.
Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit......behinderungsgerechte Beschäftigung - Betriebliches Eingliederungsmanagement
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main - 9. Kammer - Urteil vom 29.02.2008 - Aktenzeichen: 9 E 941/07 2008-02-29
Leitsätze:
§ 84 SGB IX und Art. 5 RL 2000/78/EG gelten auch für Beschäftigte im Beamtenverhältnis.
§ 42 Abs. 3 S. 1 BBG eröffnet dem Dienstherrn nur ein sehr eingeschränktes Ermessen. Von ihm ist in einer Weise Gebrauch zu machen, die zur Beachtung der vorrangigen Anforderungen des Art. 5 RL 2000/78/EG führt. Die näheren Anforderungen sind den Erwägungsgründen Nr. 20 f. der RL 2000/78/EG zu entnehmen.
Den Anforderungen des § 42 Abs. 3 S. 1 BBG i. V. m. Art. 5 RL 2000/78/EG genügt es nicht, nachzuweisen, dass Bewerbungen oder Vermittlungen eines dienstunfähigen Beamten auf einen anderen Arbeitsplatz/ Dienstposten gescheitert sind, z. B. weil sich besser qualifizierte Personen durchgesetzt haben. Der Dienstherr muss auch prüfen, ob es möglich und zumutbar ist, durch Organisationsänderungen einen behindertengerechten Arbeitsplatz einzurichten.
Die Nichtdurchführung eines Präventionsverfahrens gemäß § 84 SGB IX bewirkt allein noch nicht die Rechtswidrigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung. Der Verfahrensfehler ist jedoch bei der Ermessensüberprüfung zulasten der Behörde zu berücksichtigen.
Krankheitsbedingte Kündigung und Weiterbeschäftigung
Arbeitsgericht Berlin - 56. Kammer - Entscheidungsdatum: 10.09.2008 - Aktenzeichen: 56 Ca 10703/08
Führt der Arbeitgeber ein gebotenes betriebliches Eingliederungsmanagement i.S.d. § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durch, ist eine krankheitsbedingte Kündigung allein deshalb noch nicht unwirksam. Den Arbeitgeber trifft jedoch eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch bei hypothetischer Durchführung eines Eingliederungsmanagements (BAG).
Krankheitsbedingte Kündigung - Betriebliches Eingliederungsmanagement
Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 12. Juli 2007 - Aktenzeichen: 2 AZR 716/06
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm - Urteil vom 29. März 2006 - Aktenzeichen: 18 Sa 2104/05
Ist ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und der Interessenvertretung zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus krankheitsbedingten Gründen, ohne zuvor dieses Betriebliche Eingliederungsmanagement durchgeführt zu haben, so führt dies nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Die gesetzliche Regelung ist aber auch nicht nur ein bloßer Programmsatz, sondern Ausprägung des das Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeits-Grundsatzes. Führt der Arbeitgeber kein Betriebliches Eingliederungsmanagement durch, kann dies Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten haben. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt. Dies hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil entschieden.
Betriebliches Eingliederungsmanagement und Kuendigung als Ultima ratio
Oberverwaltungsgericht Münster - Beschluss vom 04.07.2007 - Aktenzeichen: 12 E 641/07
Das OVG Münster führte in diesem Beschluss aus...
...sehe man eine Kündigung als ultima ratio und verstehe man die in § 84 Abs. 1 und 2 vorgesehenen Präventionsmaßnahmen als Konkretisierung des Verhältnisgrundsatzes, spreche unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtschutzes einiges dafür, bei Nichtbeachtung dieser bindenden Verfahrensnorm durch den Arbeitgeber entweder ein zur Rechtswidrigkeit der Kündigung führendes formelles Verfahrenshindernis oder - mit Blick auf die unterbliebenen Präventionsmaßnahmen - ein materiell-rechtliches Kündigungshindernis anzunehmen.
Sozialauswahl und krankheitsbedingte Ausfallzeiten
Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 31. 05.2007 - Aktenzeichen: 2 AZR 306/06
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt - Urteil vom 13.12.2005 - Aktenzeichen: 2 (9) Sa 116/05
Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Zur Begründung eines solchen Interesses kann sich der Arbeitgeber nicht allein darauf berufen, der gekündigte Arbeitnehmer sei besonders krankheitsanfällig.
§ 84 Abs. 2 SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen
Landesarbeitsgericht Hamm, 2. Kammer - Urteil vom 24.01.2007 - Aktenzeichen: 2 Sa 991/06
(Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZR 428/07)
Leitsatz
1. § 84 Abs. 2 SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern für alle Beschäftigten.
2. § 84 Abs. 2 SGB IX hat kündigungsschutzrechtliche Bedeutung. Unterlässt es der Arbeitgeber, vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung wegen langanhaltender Erkrankung des Arbeitnehmers ein
an sich gebotenes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, kann dies die Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zur Folge haben.
Präventionsverfahren bei Kündigung schwerbehinderter Mitarbeiter
Wichtiges Urteil aus dem Arbeitsrecht
Sie kennen sicherlich auch den Fall, dass sich bei Ihren schwerbehinderten Arbeitnehmern die Behinderung derart verschlimmert, dass sie der Beschäftigung nicht mehr
gewachsen sind.
Wollen Sie nun diesem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Kündigung aussprechen, müssen Sie grundsätzlich erst das sogenannte Präventionsverfahren durchführen, § 84 Abs. 1 SGB IX. Dabei treten Sie an
Ihre Schwerbehindertenvertretung und Ihren Betriebsrat heran und erörtern, welche Maßnahmen zur Rettung des Arbeitsverhältnisses ergriffen werden können. Dieses Verfahren müssen Sie aber nicht immer
durchführen (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 7.12.2006, Aktenzeichen: 2 AZR
182/06).
Krankheitsbedingte Kündigung; Eingliederungsmanagement erforderlich
Landesarbeitsgericht Niedersachsen - Urteil vom 25.10.2006 - Aktenzeichen: 6 Sa 974/05
Das Gesetz über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen verpflichtet Arbeitgeber, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, wenn ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres mehr als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war (§ 84 Abs. 2 SGB IX).
Berufliche Rehabilitation - Stufenweise Wiedereingliederung
Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 13.06.2006 - Aktenzeichen: 9 AZR 229/05
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - Urteil vom 04.03.2005 - Aktenzeichen: 12 Sa 566/04
Nach dem geltenden Arbeits- und Sozialrecht ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, wenn er auf Grund einer Erkrankung nicht seine volle vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung erbringen kann. Andererseits ist anerkannt, dass ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer trotz Erkrankung oft in der Lage ist, unter erleichterten Arbeitsbedingungen tätig zu sein und ihm durch eine allmähliche Steigerung der beruflichen Belastung die Rückkehr in den Beruf erleichtert wird. Krankenkassen und sonstige Sozialversicherungsträger fördern deshalb unter anderem im Interesse des Betroffenen die sogenannte stufenweise Wiedereingliederung (§ 74 SGB V, § 28 SGB IX).
Bundesarbeitsgericht stärkt Rechte schwerbehinderter Menschen
Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 10.05.2005 - Aktenzeichen: 9 AZR 230/04
Der Arbeitgeber ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verpflichtet, kranken Arbeitnehmern eine so genannte leidensgerechte Beschäftigung zu ermöglichen. Das Schwerbehindertenrecht verstärkt diese Pflicht zusätzlich in § 81 SGB IX. In seinem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht die Rechte schwerbehinderter Menschen weiter gefestigt.